Portrait
Thomsdorf
Text und Fotografie
Axel Lambrette
Dorfgemeinschaften in der Uckermark sind so eine Sache. Mitunter bieten sie Anlass für bitterböse Satiren wie jene von Juli Zeh. Geschichten von Konflikten zwischen den Alten und den neu Zugezogenen gibt es zuhauf. Aber sie erzählen sich auch leichter und verdrängen dabei die Geschichten der glücklicheren Dörfer – und gerade die gibt es in der Uckermark recht häufig. Eine solche Geschichte ließe sich über Thomsdorf erzählen und ein Kapitel in dieser Geschichte wäre die Aufnahme von Frau Schattka-Steinbruch in die Dorfgemeinschaft.
Erzählt wird von einem alten Gehöft im Dorf, einer Erbengemeinschaft, die sich zunächst nicht einigen kann und von dem Bauern im Dorf, der die Situation schließlich rettend in die Hand nimmt, indem er den Bauernhof kauft, weil er sich für das dazugehörige Land interessiert. Der Hof wiederum soll nicht an irgendwen weiterverkauft werden, sondern an Menschen, die im Dorf leben und arbeiten wollen. Die Richtige findet sich in Frau Schattka-Steinbruch, die kurz zuvor mit ihrem Mann die Keramikwerkstatt und Kantine des Kunsthandwerkerhofs übernommen hatte.
Ihre Werkstatt ist nun eine sehr offene Werkstatt. In dem Gebäude sind noch mehrere andere Handwerkerinnen und Künstlerinnen untergebracht und auch ein Orgelbauer. Alle zusammen firmieren unter dem Begriff „Kunsthandwerkerhof“ und im Sommer ist dieser ein beliebtes Ausflugsziel. Es gibt einen regen Austausch und des öfteren kommt eine der anderen Frauen zum Plausch vorbei oder der ehemalige Dorfpfarrer macht einen seiner regelmäßigen Besuche, die oft mit dem Hinterlegen eines besonders empfohlenen Buches verbunden sind.
Der Raum öffnet sich durch eine große Fensterfront zum Hof. Gegenüber, an den Tischen der Kantine, serviert der Mann der Keramikerin sein Essen auf ihrem Geschirr. Kantine und Werkstattgebäude gehörten schon seit dem Ende der 90er zusammen. Sie waren gedacht als Ausbildungs- und Schulungsstätte für Frauen, die nach der Wende arbeitslos geworden waren. Die Frauen konnten hier in dem renovierten und gut eingerichteten Gebäude neue Handwerke erlernen, um sich so beruflich neu zu orientieren. Neben Kerzenziehen und Filzen war auch Töpfern ein solches Handwerk. Für die Frauen von damals wurde das Erlernte weniger zu einer neuen Einnahmequelle, als zu einer wichtigen, bereichernden Erfahrung. 2010 wurde der alte Verein aufgelöst, aber aus dem Dorf heraus gründete sich ein neuer Verein mit aktiven Kunsthandwerkerinnen, der für die nun leerstehende Keramikwerkstatt und auch die Kantine eine Nachfolge suchte.
„Die Richtige“ wäre auch sonst eine schöne Umschreibung für die Keramikerin. Wie sie von den Entscheidungen in ihrem Leben erzählt, wie sich alles ineinander gefügt hat, vermittelt den Eindruck einer ansteckenden Zuversicht und eines geradlinigen Berufslebens das energisch und pragmatisch angegangen wurde. Mit 13 Jahren kam sie zum ersten Mal in Berührung mit Ton in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, in der ihre Mutter gearbeitet hat. Ab da ist sie unbeirrt dem Keramik-Weg gefolgt, hat als Jugendliche andere Töpfer und Töpferinnen besucht und direkt nach der Schule eine Ausbildung angefangen, mit dem Ziel eine eigene Serie an Gebrauchskeramik zu erfinden und diese aus der eigenen Werkstatt heraus zu verkaufen. Als klar war, dass ihr Businessplan gefördert wird, schnitzt sie am selben Abend ihren Stempel.
Dieser findet sich auch heute noch auf all ihren Keramiken. Deren Farbgebung ist den Stränden der Ostsee gewidmet, ein zartes und sehr lebendiges blau und sandgelb. Die Gestaltung ist klar und meist ohne jedes Zierrat. Die dünnwandigen Krüge wölben sich leicht und erinnern mit ihrer Spannung und den Riefen an dorische Säulen. Es ist sichtbar, dass hier viel Zeit darauf verwendet wurde ein Produkt zu perfektionieren. Gerade die Glasur wird auch nach all den Jahren immer noch verfeinert. Das Rezept ist selbstverständlich streng geheim.
Schon zu Beginn ihrer Ausbildung hatte sie intensiv mit Formen und Farben experimentiert. Der Witz, der heute ein Gespräch mit ihr so unkompliziert fröhlich macht, geht offenbar weit zurück. So wurde aus der Asche der Zigaretten, die zu Tausenden in jener Behindertenwerkstatt geraucht wurden, die Grundlage für eine Glasur, mit der sie dann einen Pokal überzog. Der steht nun mit anderen Experimenten (auch denen der Gesellinnen und Praktikanten) ganz oben auf einem Schrank. Ein kleines, ganz persönliches Museum.
Ihre Kinder sind in ihrem Leben mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie ihr Beruf. Es gab fast immer beides. Bei meinem Besuch ist sie mit ihrem vierten Kind schwanger. Das heißt auch, dass sie sich von Anfang an auf ihre eigenen Formen konzentriert hat und darauf, von ihrer Keramik leben zu können. Nach und nach hat sie ihr Angebot erweitert um Funktionalitäten, wie Teekannen, Butterdosen oder ähnlichem. Dabei ist sie ihren Grundformen und -farben immer treu geblieben. Besonders sind ihre Waschbecken, deren Herstellung auf der Töpferscheibe großes Geschick erfordert, da die große Masse an Ton nur schwer zu beherrschen ist.
Die Töpferscheiben bilden das Zentrum ihrer Werkstatt. An einer zweiten sitzt diesmal ihre Gesellin, welche vor allem im Winter für 6 Wochen zur Unterstützung kommt und in dieser Zeit gut 1000 Tassen fertigt – Tassen sind sehr gefragt. Im hinteren Teil der Werkstatt, wo sich auch die beiden Brennöfen befinden, stapeln sich die Keramiken in ihren verschiedenen Arbeitsstadien; noch ganz frische Keramik, lederartig getrocknete Keramik, vorgebrannte Keramik, vorglasierte Keramik — unabdingbar sich mit äußerster Vorsicht zu bewegen.
Hier bei der halbfertigen Töpferware findet sich auch ein Schubladenschrank mit dem, was die Keramikerin ihren Schatz nennt. In Kisten liegen scheinbar wild durcheinander verschiedene Stempel. Zum Teil sind sie für Keramik gemacht, zum Teil handelt es sich einfach um Gegenstände mit reliefartigen Oberflächen. Es könnte auch die Schublade einer Archäologin sein mit Erinnerungsstücken aus aller Welt. Diese Stempel werden an manchen Objekten genutzt, um sie zusätzlich zu strukturieren oder zu verzieren. An größeren wirkt dies eindrucksvoll und edel, an kleinen sind die Stempel Vehikel für den Humor der Keramikerin.
Sie spricht gern von der Seele der Keramik. In ihrer Keramik ist sie erkennbar an den Spuren der Finger, den leichten Variationen. Es ist gewollt. Wer die Gelegenheit hat Frau Schattka-Steinbruch kennenzulernen möchte gerne ein Stück dieser Seele mitnehmen. Sie stört sich nicht weiter dran. „Die Seele“, sagt sie, „wird immer nachproduziert. Wie Fruchtwasser“.
Anne Schattka-Steinbruch. Keramikerin. Fertigt Gebrauchskeramik für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Keramik kann online oder in Thomsdorf erworben werden.
Portrait
Thomsdorf
Text und Fotografie
Axel Lambrette
Dorfgemeinschaften in der Uckermark sind so eine Sache. Mitunter bieten sie Anlass für bitterböse Satiren wie jene von Juli Zeh. Geschichten von Konflikten zwischen den Alten und den neu Zugezogenen gibt es zuhauf. Aber sie erzählen sich auch leichter und verdrängen dabei die Geschichten der glücklicheren Dörfer – und gerade die gibt es in der Uckermark recht häufig. Eine solche Geschichte ließe sich über Thomsdorf erzählen und ein Kapitel in dieser Geschichte wäre die Aufnahme von Frau Schattka-Steinbruch in die Dorfgemeinschaft.
Erzählt wird von einem alten Gehöft im Dorf, einer Erbengemeinschaft, die sich zunächst nicht einigen kann und von dem Bauern im Dorf, der die Situation schließlich rettend in die Hand nimmt, indem er den Bauernhof kauft, weil er sich für das dazugehörige Land interessiert. Der Hof wiederum soll nicht an irgendwen weiterverkauft werden, sondern an Menschen, die im Dorf leben und arbeiten wollen. Die Richtige findet sich in Frau Schattka-Steinbruch, die kurz zuvor mit ihrem Mann die Keramikwerkstatt und Kantine des Kunsthandwerkerhofs übernommen hatte.
Ihre Werkstatt ist nun eine sehr offene Werkstatt. In dem Gebäude sind noch mehrere andere Handwerkerinnen und Künstlerinnen untergebracht und auch ein Orgelbauer. Alle zusammen firmieren unter dem Begriff „Kunsthandwerkerhof“ und im Sommer ist dieser ein beliebtes Ausflugsziel. Es gibt einen regen Austausch und des öfteren kommt eine der anderen Frauen zum Plausch vorbei oder der ehemalige Dorfpfarrer macht einen seiner regelmäßigen Besuche, die oft mit dem Hinterlegen eines besonders empfohlenen Buches verbunden sind.
Der Raum öffnet sich durch eine große Fensterfront zum Hof. Gegenüber, an den Tischen der Kantine, serviert der Mann der Keramikerin sein Essen auf ihrem Geschirr. Kantine und Werkstattgebäude gehörten schon seit dem Ende der 90er zusammen. Sie waren gedacht als Ausbildungs- und Schulungsstätte für Frauen, die nach der Wende arbeitslos geworden waren. Die Frauen konnten hier in dem renovierten und gut eingerichteten Gebäude neue Handwerke erlernen, um sich so beruflich neu zu orientieren. Neben Kerzenziehen und Filzen war auch Töpfern ein solches Handwerk. Für die Frauen von damals wurde das Erlernte weniger zu einer neuen Einnahmequelle, als zu einer wichtigen, bereichernden Erfahrung. 2010 wurde der alte Verein aufgelöst, aber aus dem Dorf heraus gründete sich ein neuer Verein mit aktiven Kunsthandwerkerinnen, der für die nun leerstehende Keramikwerkstatt und auch die Kantine eine Nachfolge suchte.
„Die Richtige“ wäre auch sonst eine schöne Umschreibung für die Keramikerin. Wie sie von den Entscheidungen in ihrem Leben erzählt, wie sich alles ineinander gefügt hat, vermittelt den Eindruck einer ansteckenden Zuversicht und eines geradlinigen Berufslebens das energisch und pragmatisch angegangen wurde. Mit 13 Jahren kam sie zum ersten Mal in Berührung mit Ton in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, in der ihre Mutter gearbeitet hat. Ab da ist sie unbeirrt dem Keramik-Weg gefolgt, hat als Jugendliche andere Töpfer und Töpferinnen besucht und direkt nach der Schule eine Ausbildung angefangen, mit dem Ziel eine eigene Serie an Gebrauchskeramik zu erfinden und diese aus der eigenen Werkstatt heraus zu verkaufen. Als klar war, dass ihr Businessplan gefördert wird, schnitzt sie am selben Abend ihren Stempel.
Dieser findet sich auch heute noch auf all ihren Keramiken. Deren Farbgebung ist den Stränden der Ostsee gewidmet, ein zartes und sehr lebendiges blau und sandgelb. Die Gestaltung ist klar und meist ohne jedes Zierrat. Die dünnwandigen Krüge wölben sich leicht und erinnern mit ihrer Spannung und den Riefen an dorische Säulen. Es ist sichtbar, dass hier viel Zeit darauf verwendet wurde ein Produkt zu perfektionieren. Gerade die Glasur wird auch nach all den Jahren immer noch verfeinert. Das Rezept ist selbstverständlich streng geheim.
Schon zu Beginn ihrer Ausbildung hatte sie intensiv mit Formen und Farben experimentiert. Der Witz, der heute ein Gespräch mit ihr so unkompliziert fröhlich macht, geht offenbar weit zurück. So wurde aus der Asche der Zigaretten, die zu Tausenden in jener Behindertenwerkstatt geraucht wurden, die Grundlage für eine Glasur, mit der sie dann einen Pokal überzog. Der steht nun mit anderen Experimenten (auch denen der Gesellinnen und Praktikanten) ganz oben auf einem Schrank. Ein kleines, ganz persönliches Museum.
Ihre Kinder sind in ihrem Leben mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie ihr Beruf. Es gab fast immer beides. Bei meinem Besuch ist sie mit ihrem vierten Kind schwanger. Das heißt auch, dass sie sich von Anfang an auf ihre eigenen Formen konzentriert hat und darauf, von ihrer Keramik leben zu können. Nach und nach hat sie ihr Angebot erweitert um Funktionalitäten, wie Teekannen, Butterdosen oder ähnlichem. Dabei ist sie ihren Grundformen und -farben immer treu geblieben. Besonders sind ihre Waschbecken, deren Herstellung auf der Töpferscheibe großes Geschick erfordert, da die große Masse an Ton nur schwer zu beherrschen ist.
Die Töpferscheiben bilden das Zentrum ihrer Werkstatt. An einer zweiten sitzt diesmal ihre Gesellin, welche vor allem im Winter für 6 Wochen zur Unterstützung kommt und in dieser Zeit gut 1000 Tassen fertigt – Tassen sind sehr gefragt. Im hinteren Teil der Werkstatt, wo sich auch die beiden Brennöfen befinden, stapeln sich die Keramiken in ihren verschiedenen Arbeitsstadien; noch ganz frische Keramik, lederartig getrocknete Keramik, vorgebrannte Keramik, vorglasierte Keramik — unabdingbar sich mit äußerster Vorsicht zu bewegen.
Hier bei der halbfertigen Töpferware findet sich auch ein Schubladenschrank mit dem, was die Keramikerin ihren Schatz nennt. In Kisten liegen scheinbar wild durcheinander verschiedene Stempel. Zum Teil sind sie für Keramik gemacht, zum Teil handelt es sich einfach um Gegenstände mit reliefartigen Oberflächen. Es könnte auch die Schublade einer Archäologin sein mit Erinnerungsstücken aus aller Welt. Diese Stempel werden an manchen Objekten genutzt, um sie zusätzlich zu strukturieren oder zu verzieren. An größeren wirkt dies eindrucksvoll und edel, an kleinen sind die Stempel Vehikel für den Humor der Keramikerin.
Sie spricht gern von der Seele der Keramik. In ihrer Keramik ist sie erkennbar an den Spuren der Finger, den leichten Variationen. Es ist gewollt. Wer die Gelegenheit hat Frau Schattka-Steinbruch kennenzulernen möchte gerne ein Stück dieser Seele mitnehmen. Sie stört sich nicht weiter dran. „Die Seele“, sagt sie, „wird immer nachproduziert. Wie Fruchtwasser“.
Anne Schattka-Steinbruch. Keramikerin. Fertigt Gebrauchskeramik für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Keramik kann online oder in Thomsdorf erworben werden.